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Erdbestattungen werden immer weniger. Urnenbestattungen und weitere Formen, Verstorbene zur letzten Ruhe zu begleiten, liegen im Trend. Interview mit dem Bonner Bestatter Christopher Necke

Sie kommen gerade von einer Bestattung. Wie wollte sie die Familie gestaltet haben?

Christopher Necke: Im engsten Kreis. Das kommt immer häufiger vor. Heute hatten wir die Situation, dass sich gerade einmal acht Leute in der Kapelle des Friedhofs getroffen und nur Musik gehört haben. Das heißt, es war weder ein Pfarrer noch ein freier Redner dabei. Nach einer Viertelstunde Musik haben wir die Urne dann in aller Stille zum Grab getragen und mit dem Gebet „Vater unser“ beigesetzt – auch wenn es keine kirchliche Beisetzung war.

Sie sagen, die Bestattungskultur habe sich seit den 1980er Jahren sehr gewandelt?

Necke: Ja, mein subjektiver Eindruck ist aber, dass dieser Wandel seit Mitte der 2000er Jahre stagniert. Die oben aufgeführte Situation ist ein typisches Beispiel für das, was dieser Wandel an Veränderung mit sich gebracht hat. Die Kirche ist nur noch bei etwas mehr als der Hälfte der Beerdigungen involviert. Immer öfter erleben wir, dass Familien auf freie Redner zurückgreifen möchten oder jemand aus der Familie die Trauerfeier selbst gestaltet. Hinzu kommt, dass die klassische Erdbestattung schon seit Jahrzehnten durch die Feuerbestattung abgelöst wird. Heute sind es in Bonn, wenn es hoch kommt, noch 40 Prozent Erdbestattungen.

Welche Formen der Bestattung werden in Bonn und Umgebung aktuell am meisten gewünscht?

Necke: Die klassische Erdbestattung ist nach wie vor auf allen Friedhöfen in Bonn und Umgebung möglich, genauso wie eine Urnenbestattung. Nun hat man bei einer Urnenbeisetzung viele Alternativen zum Friedhof. Wir haben zum Beispiel die altkatholische Namen-Jesu-Kirche in Bonn, die in ihrer Krypta einen Friedhof für Urnen eingerichtet hat. Das heißt, Verstorbene finden in den Räumen der Kirche ihre letzte Ruhe. In Bad Godesberg gibt es mit dem Mausoleum von Carstanjen eine Art Gegenstück dazu. Das ist ein historisches Bauwerk am Rhein, das die katholische Kirche zu einer Urnengrabstätte „für jedermann“ gemacht hat. 

Wir haben aber auch Begräbniswälder in der Umgebung, ja?

Necke: Genau. Den RheinRuhe-Forst in Bad Breisig mit einem traumhaften Blick auf den Rhein, die Friedwälder in Lohmar und Bad Münstereifel und den Begräbniswald in Eitorf. Dort werden Urnen an einem Baum der Erde übergeben, meist in einem zersetzbaren Gefäß, sodass Asche und Erde eins werden, eine idyllische Alternative. Und dann gibt es noch die Möglichkeit, die Einäscherung im benachbarten Ausland durchzuführen und danach als Familie frei über die Asche zu verfügen. Selbstverständlich gibt es auch in diesem Falle eine Art „Friedhofszwang“. Die Urne muss auf einem Gelände beigesetzt werden, das als Friedhofsgelände anerkannt ist. Wenn jemand dann die Urne aber doch im heimischen Garten beisetzt, haben wir in letzter Konsequenz keinen Einfluss darauf. Es gibt also heutzutage kaum Grenzen und immer weniger Tabus. Das hat der Wandel mit sich gebracht.

Gibt es denn noch Traditionsbewusstsein?

Necke: Natürlich gibt es immer noch Familien, die erstens ihr traditionelles Grab pflegen und bei einem Sterbefall in der Familie dort auch beerdigen. Nur wird das immer weniger. Wer im Bonner Raum einen Spaziergang über einen der größeren Friedhöfe unternimmt, wird überall das gleiche Bild sehen: etliche freie Flächen, wo früher einmal Gräber waren. Heutzutage fragen wir beim Friedhofsamt auch nicht erst an, ob es möglich ist, ein Grab auf einem bestimmten Friedhof zu bekommen, sondern wir sagen es der Familie gleich blind zu. Denn die Friedhöfe ähneln nicht selten Parkanlagen, auf denen es, von wenigen Ausnahmen abgesehen, immer freie Gräber gibt. Und wir stellen fest, dass der Besucherbetrieb abgenommen hat.

Sind deshalb viele Gräber ungepflegt?

Necke: Genau. Es gibt aber auch immer noch viele Familien, die großen Wert auf die klassische Beerdigung in Begleitung eines Pfarrers oder einer Pfarrerin legen. Selbst wenn die Angehörigen selbst keinen allzu intensiven Bezug zur Kirche haben, erleben wir oft, dass der Wunsch des Verstorbenen im Vordergrund steht. Das heißt, die Familie entscheidet sich zum Beispiel für eine Heilige Messe vor der Beerdigung, weil sie weiß, es gehörte zum Lebensinhalt des oder der Verstorbenen.

Auch Sie bieten neue Formen der Erinnerungskultur an?

Necke: Wir haben ein Gedenkportal auf unserer Internetseite eingerichtet. Dort können Hinterbliebene eine Gedenkseite für ihre Verstorbene selbst gestalten, indem Bilder hochgeladen oder Texte geschrieben werden. Und man kann dort ein Fotobuch gestalten. Da die Gedenkseite öffentlich ist, können auch Freunde oder flüchtige Bekannte dort kondolieren, den Beerdigungstermin einsehen, virtuell eine Kerze anzünden oder Bilder beitragen. Das ist durchaus eine alternative Form der Erinnerungskultur. Angenommen wird sie allerdings eher schleppend. Etwa die Hälfte der Familien, mit denen wir im Gespräch sind, möchte eine solche Gedenkseite. Die andere Hälfte lehnt sie meist kategorisch ab. Ich kann beides verstehen, denn auch für uns ist das Gedenkportal ein Versuch.

Warum wird das Gedenken an Tote auch in unserer schnelllebigen Zeit weiter wichtig für Menschen bleiben?

Necke: Solange Menschen in Beziehung zueinander stehen, miteinander leben, sich lieben, sich schätzen oder sonst wie in Verbindung stehen, werden sie einander vermissen, sobald einer nicht mehr da ist. Da ändert keine „Schnelllebigkeit“ oder sonst etwas etwas dran. Und ich persönlich glaube, dass der Wandel in der Erinnerungskultur abgeschlossen ist. Mehr als „digital“ wird es nicht. Und „digital“ bedeutet ja erst mal nur, dass am Beispiel des Gedenkportals Bilder und Texte digital verfasst und festgehalten sind.

Interview: Ebba Hagenberg-Miliu

Zur Person: Christopher Necke (37) ist seit 2008 Mitinhaber des Bad Godesberger Familienunternehmens Glitsch Necke Bestattungen. Er ist Bürokaufmann, geprüfter Bestatter und Funeralmaster (Bestattermeister). Necke arbeitet ehrenamtlich als Presbyter in der evangelischen Erlöser-Kirchengemeinde und im Förderverein des Evangelischen Alten- und Pflegeheims Johanniterhauses mit. „Aus purer Leidenschaft“ moderiert er ab und zu bei Radio Bonn/Rhein-Sieg.

Nachzulesen im "Dialog" 1/2022 des Hospizvereins Bonn. Online hier: https://www.hospizverein-bonn.de/seminare-kurse-termine/dialog.html

 

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